Die Welt der Schneekugeln und Traumkugeln
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DARMSTÄDTER ECHO

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Dienstag, 19. November 1996       - HOBBY UND FREIZEIT -     DARMSTÄDTER ECHO      Seite 14

Und ewig rieselt leise der Kunstschnee

Von der Schneekugel zur Traumkugel: Herzerwärmender Kitsch kommt offenbar nie ganz aus der Mode

Von Birgit Femppel

Ein weißgewandeter Engel hält schützend Hände und Flügel über einen Knaben und ein holdes Mägdelein. Es schneit in der Glaskugel – weißer Glitter und rosa Herzchen. Außenrum weht leise eine rosa Federboa. Der Kitschfaktor zehn hat zugeschlagen. Und zwar in For eines Schneegestöbers, das schon lange nicht mehr so heißt, und auch kein Rotkäppchen mit Wolf, keinen Kölner Dom und kein Schloß Neuschwanstein mehr beinhaltet.

„Traumkugel“ heißt das heute zeitgemäß und ist ein eingetragenes Warenzeichen. Zwei Michelstädter avancierten damit zum größten Hersteller eines Produkts, das neben viel anderem dekorativem Plastik 110 Menschen Lohn und Brot gibt, und inzwischen internationale Designer mit eigenen Kollektionen beauftragt, wie etwa Javier Mariscal, den Erfinder des Olympiamaskottchens von Barcelona. Fantasietiere, schreiend bunt, Froschkönige, Sternzeichen, eine Clown-, eine Blues-, eine Oster-, Winter-, Geburtstags-Edition und eine bereits 57 Motive umfassende Bärchen-Sammlung, selbst Pfeffer-, Salz- und Zuckerstreuer – der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt – dem Kitschfaktor allerdings auch nicht.

„Vor zehn oder fünfzehn Jahren ist Kitsch noch als etwas beschimpft worden, das nicht den elitären Ansprüchen von Designpäpsten entsprach“, sagt Stephan Koziol, einer der beiden Geschäftsführer. „Die meinten, sie müssten die Menschheit auf eine Ästhetik einschwören, die dem Wohlbefinden einfach nicht entspricht.“ Doch diese Zeiten sind vorbei, Koziol: „Die Autos werden runder und die Farben werden bunter“, hat er festgestellt, und so liege er mit seinen farbenfrohen, knubblig-verspielten „Innovationen in Plastik“ voll im Trend.

Übrigens ist auch die Legende von der Entstehung der bunten Kunststoffkugeln mit einer entsprechenden Portion Poesie und Rührseligkeit bestückt. Die Koziols sind nämlich eine alte Michelstädter Elfenbeinschnitzerfamilie. 1927 meldete der Vater der beiden heutigen Geschäftsführer, der vergangene Woche verstorbene Bernhard Koziol, ein Elfenbeinschnitzergewerbe an. In den dreißiger Jahren expandierte das Unternehmen, stellte Schmuck und Broschen her, bis die Nazis im Zweiten Weltkrieg die Produktion kriegswichtiger Güter anordneten. Statt zarter Elfenbeinkunst wurden Rüstungsteile für elektrische Nachrichtengeräte und Zündeinrichtungen produziert: vorläufiges Ende allen zweckfrei-fröhlichen Kitsches.

Nach dem Krieg spezialisierte sich Koziol auf Trachtenknöpfe und Trachtenbroschen, später auf Steckfiguren für Kuckuckspfeifen und Schachfiguren. Und dann, ja dann hatte Koziol senior diese Vision, die die Vitrinen der Welt eroberte: Er fuhr nämlich mit seinem VW Käfer durch den winterlichen Odenwald. Es schneite. Und plötzlich erblickte Koziol durch das ovale Rückfenster ein Rehlein – die Geburtsstunde des Schneegestöbers, jawohl. Das ist heute Firmenüberlieferung.

Anfang der achtziger Jahre schien der Schneegestöbermarkt weltweit gesättigt, die Asiaten produzierten außerdem viel billiger, das Souvenirinterieur war „innovationsfeindlich – da war immer noch stets der Kölner Dom oder Neuschwanstein drin“, wie Stephan Koziol sagt, also überlegte man sich, ob man die Produktion nicht besser einstellen sollte – oder ob sich eine neue Richtung finden ließ. Sie fand sich: „ weg vom Souvenir, hin zum Geschenkartikel“ mit Sammlerpotential.

„Die Traumkugel hat eine Renaissance erlebt und ist wo ganz anders zu Hause“, sagt Stephan Koziol. „Sie beinhaltet nun eine Botschaft und läuft unter dem Thema Balsam für die Seele.“ Kitsch mit tiefenpsychologischer Wirkung.

Der Frankfurter Psychologe Werner Gross beschreibt das so: „Kitsch ist ein in sich geschlossenes System, das etwas konkretisiert, was nicht konkretisierbar ist. Es folgt bestimmten Regeln. Das führt dazu, dass er auf der einen Seite so anheimelnd ist und auf der anderen Seite so scheinbar sicher. Man hat das Gefühl, hier passiert nichts Dramatisches, Gefährliches.“ Anette Schmied, Marketing-Leiterin von Koziol, nennt das „Poesie“. „Wir stehen dazu, dass es Kitsch ist“, sagt sie, „aber es ist Kitsch, der einen positiven Inhalt vermittelt“.

Entwürfe einer Seveso-Kugel oder eines Kettensägen-Massakers mit blutrotem Glitter werden daher streng abgelehnt. Dann doch lieber das Bärchen-Ensemble, das mit seinen Szenarien und Verkleidungen an die Mecki-Heile-Welt der fünfziger Jahre erinnert. Dazu passt auch, dass die Kugeln mit dem klaren Odenwälder Quellwasser aus dem eigenen Brunnen gefüllt sind. Die Zusätze gegen Wasserschimmel sind nicht giftig. Auffüllen kann man den Wasserpegel mit abgekochtem Wasser.

Und dann nichts wie rein ins Kitsch-Universum, denn, so empfiehlt Stephan Koziol zögerlichen potentiellen Kunden: „Man braucht sich seiner Emotionen nicht zu schämen“.

DARMSTÄDTER ECHO - Zeitungsbericht vom 19. November 1996

 

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