VDI nachrichten, Erbach, 8.12.06, rb –
Sie heißen Donna, Elvis und Tweety, fungieren als Schaumlöffel, Tesafilmabroller und Gemüsebürste und haben eine Menge Kumpels, die genauso farbenfroh sind wie sie. Simple Gebrauchsgegenstände verwandelt in pfiffige Designprodukte sind das Markenzeichen von Koziol. 1927 startete das Unternehmen als gewerbliche Elfenbeinschnitzerei in Erbach, der „Stadt des weißen Goldes“. Heute exportiert es seine Plastikkunst aus den Tiefen des Odenwalds in 50 Länder.
Man kann unsere Produkte lieben oder hassen, aber sie sind unverwechselbar.“ Stephan Koziol, Urenkel des Erbacher Töpfers Bernhard Josef Koziol und Enkel des gleichnamigen Firmengründers, sitzt im Showroom seines Betriebs im Gewerbegebiet vor den Toren der Stadt und erklärt seine Unternehmensstrategie: „Wir verstehen uns als Wissensgemeinschaft.“ Vom ersten Entwurf über die Produktion bis hin zum Versand – die komplette Fertigung findet unter einem Dach statt. Goldschmiede, Drucker und Designer sind unter den rund 180 Mitarbeitern genauso gefragt wie Ingenieure und Konstrukteure. Wie ein „ Räderwerk “ funktioniere sein Unternehmen, beschreibt Koziol. „Bricht man ein Rad heraus, verliert man das Wissen.“
Wissen bedeutet für den Mann, der selbst die Kunst des Elfenbeinschnitzens erlernt hat und mit seinen Produkten „ vergnügt die Zukunft gestalten “ möchte, Tradition, neue Ideen und ihre technische Umsetzung. „Um Innovationen zu erzeugen, muss man mit der Technik experimentieren können.“ Denn hinter den Kultprodukten, mit denen die überwiegend weiblichen Kunden Farbtupfer in Bad, Küche, Büro und an den Tannenbaum bringen, steckt mehr als ein lustiger Einfall. |
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So ist das Produktdesign nach Meinung von Morten Boesen, zuständig für die Kommunikation zwischen Designern und Fertigung, zwar das A und O. „ Aber wir gestalten nicht nur “, betont der Industriedesigner. „Wir machen auch viel klassische Ingenieursarbeit.“
Schon die Auswahl des passenden Kunststoffs ist eine Wissenschaft für sich. 150 Materialtypen und -spezifikationen sowie 500 Farbeinstellungen werden bei Koziol verarbeitet. Welcher Kunststoff zum Einsatz kommt, hängt vom späteren Produkt ab. So braucht Kochlöffel „Oliver“ robustes und verschleißfestes Polyamid und der verschlungene Raumteiler „Fusion“ transparentes, flammbeständiges und selbstverlöschendes Polycarbonat. Die so genannten Traumkugeln, bekannter als „ Schüttelschnee “, wiederum werden aus Standard-Polystryol gefertigt, das ähnliche Eigenschaften aufweist wie Glas.
„Kunststoff ist als Werkstoff noch immer nicht überall akzeptiert “, räumt Unternehmenssprecherin Katrin Bode ein. Was die Firma nicht davon abhält, selbst Krippenfiguren aus Plastik herzustellen. „ In den 50er – Jahren “, erzählt Bode, „ haben wir sämtliche Wallfahrtsorte mit unseren Madonnen beliefert. “
Dabei war der Start in die industrielle Massenproduktion von Bijouterie – Waren den Erbacher Bürgern ausgesprochen suspekt. 1935 nahm Bernhard Koziol seine erste handbetriebene Spritzgussmaschine in Betrieb. Sechs Jahre beschäftigte er mehr als 150 Mitarbeiter in seinem neuen Fabrikgebäude. Die Modeschmuckherstellung lief auf Hochtouren. |
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In der Hochburg der Elfenbeinschnitzerei kam dies einer industriellen Revolution gleich. Anno 1783 hatten die Erbacher Kunstdrechsler ihren neuen Zunftbrief erhalten. „ Und hier steht der Graf, dem wir alles zu verdanken haben “, sagt Projektmanager der Stadt, Frank Reubold, 200 Jahre später und deutet auf die Statue von Franz 1 zu Erbach – Erbach. Sechs Jahre war der „ Elfenbeingraf “ als junger Mann durch Europa gereist und hatte in Wien das Drechseln und Schnitzen gelernt. Dann führte Franz 1 die Elfenbeinkunst in seiner Heimat ein. Das Kunsthandwerk, das auf dem Höhepunkt der Produktion in den frühen 20er Jahren rund 1200 Menschen in Lohn und Brot brachte, sicherte der Kleinstadt im Odenwald wirtschaftliche Stabilität.
Um das Schloss herum liegt die beschaulich kleine Altstadt. Hier bestimmen wie ehedem die Kunsthandwerker die Atmosphäre. Elfenbein und Bernstein liegen in den Schaufenstern der Fachwerkhäuser. Die Vitrinen sind gefüllt mit Krippen, Weihnachtsmühlen, Madonnen und Holzspielzeug. „ Jetzt in der Vorweihnachtszeit “,sagt Reubold, „ wird hier viel Geld verdient.“ Doch die Adventsstimmung kann nicht darüber hinweg täuschen, dass die Kreisstadt sich mitten in einem Imagewandel befindet, in den, so der Marketingfachmann, ein innovatives Unternehmen wie Koziol wunderbar hineinpasst.
In seinem Büro in der modernen Stadtverwaltung wartet Harald Buschmann in Jeans und Jacket. „ Die Stadt hat sich in der Vergangenheit unter Wert verkauft “, findet der Bürgermeister. Buschmann war früher Pfarrer an der evangelischen Stadtkirche. Seine ehemalige Wirkungsstätte hat er in roten Umrissen kurzerhand zum neuen, modernen Logo der Stadt gemacht und auch jetzt – als Stadtoberhaupt – treibt ihn eine Mission. |