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Odenwälder Echo

 

 

Odenwälder Echo

 

 

Zeitungsartikel vom 10. Februar 2007

„Gruppe Blech“ wird fündig

Echo-Thema – Zollbeamte suchen auf der Messe Ambiente nachgemachte Haushaltswaren - 233 gefälschte Artikel

Von Petra Lochmann

Frankfurt. Die drei Servierlöffel sind ein Treffer. Das sieht Jacqueline Heinze sofort. Die junge Frau nimmt die in Folie verpackten Vorlegeteile aus dem Regal und legt sie in den Metallkorb. Was klingt, wie ein Einkaufsbummel in der Haushaltswarenabteilung, ist genau das Gegenteil. Mit ihrem Griff nach den Löffeln hat Jacqueline Heinze dafür gesorgt, dass diese Exemplare über keine Ladentheke gehen werden. Es ist ihr Beruf, wie die Aufschrift auf dem T-Shirt verrät: „Zoll“. Mit Kollegen ist die Zollobersekretärin am Freitag unterwegs bei der Konsumgüter-Messe Ambiente, um Fälschungen zu finden.

Knapp zehn Beamte der „Gruppe Blech“ schauen sich in Halle sechs nach nachgemachten Besteck, Töpfen, Metallwaren um. Und finden zum Beispiel die Löffel fernöstlicher Herkunft, die das erfolgreiche Design eines Deutschen Herstellers imitieren.

„Mit Kopieren lässt sich viel Geld verdienen“, sagt die Beamtin. „Besonders Trends werden oft gefälscht“. Seit sechs Jahren arbeitet sie bei der Zollabfertigungsstelle auf dem Frankfurter Zollgelände, erzählt Heinze. Die Beamten dort fertigen bei jeder Messe die Ware ab, die aus dem Ausland kommt. Messestände im laufenden Betrieb kontrollieren sie seit einem Jahr mit Unterstützung von Kollegen des Hauptzollamtes Darmstadt. Auch immer dabei: bewaffnete Beamte der „Mobilen Kontrollgruppe“. Nur sie besitzen „Zugriffsrechte“ dürfen auch in Schubladen und Kartons der Aussteller nach Plagiaten kramen.

Der Zoll weiß, wo sich suchen lohnt. Im Vorfeld geben die Hersteller Beschreibungen ihrer rechtlich geschützten Patente und Geschmacksmuster an die Beamten. Diese Merkmale haben sie dann beim Rundgang im Hinterkopf. Doch die meisten Tipps geben die Unternehmen selbst.

 

Sie fahnden vor Messebeginn nach Nachahmern, deren Stände die Vertreter der Staatsmacht dann in Augenschein nehmen. Außerdem schicken die Firmen Anwälte mit den Zöllnern auf Streife. „Bis zu zehn Anwälte sind mit unseren Teams unterwegs“, sagt Kirsten Jung vom Hauptzollamt Darmstadt. 877 Mal wurden die Plagiatsucher bei der Ambiente 2006 fündig. „Da war der Wagen schneller voll als Heute“, erinnert sich Jung. Die Präsenz zeige scheinbar Wirkung. Sie soll Recht behalten. Am Abend wird sie für die Ambiente 2007 nur 233 Fälschungen notiert haben.

Häufiger Ursprung der Urheberrechtsverletzungen ist Asien. Aus China kommen die meisten Plagiate. Deshalb nimmt der Zoll die Aussteller aus dieser Region besonders unter die Lupe. „Messestände europäischer Betreiber eher nicht“, sagt Zollbeamtin Heinze.

Innerhalb der Staaten der Europäischen Union gebe es keine Handelsgrenzen mehr, die Produkte seien also keine zu kontrollierende Einfuhr. Nur wenn ein europäisches Plagiat in Fernost produziert wurde, komme der Zoll ins Spiel. Und das sei schwer nachzuweisen, sagt Heinze.

Gemächlich schiebt ihr Kollege den Einkaufswagen, der keiner ist, den Gang entlang. Der Tross zieht vorbei an freundlichen dreinblickenden Ausstellern aus Asien. Dabei bleibe es in der Regel auch, erzählt Heinze, selbst wenn eine Fälschung gefunden werde. Lächeln statt Ausrasten – meistens.

„Handgreiflichkeiten gibt es fast nie, höchstens manchmal Diskussionen“, räumt Heinze ein. So wie bei den Metallschüsseln, die neben den Löffeln im Wagen liegen. Nur widerwillig hatte der Aussteller die Erklärung für den Staatsanwalt unterschrieben. Denn jeder Fund hat Folgen: ein Rechtstreit mit Unterlassungserklärung.

 

Anwältin Aliki Busse setzt bei der Messe das Markenrecht von drei Mandanten durch. Ihr Vater ahndet Fälscher seit 30 Jahren mit dem Preis Plagiarius. Auch der Erbacher Unternehmer Stephan Koziol ist regelmäßig Opfer von Nachahmern. Während die Kopie eines Koziol- Produktes mit dem Plagiarius „geehrt“ wurde, fanden die Zöllner nebenan bereits das nächste Imitat.

Die Ausreden seien immer die gleichen: „Och wir haben nichts kopiert, wir wussten gar nicht, dass es das schon gibt“, wiederholt die Juristen amüsiert. Mit dem Rest der „Gruppe Blech“ nimmt sie die Rolltreppe nach oben. Die nächste Etage ist dran. Für die Wortmarke „Solingen“ hält Susanne Abendroth- Kersting die Augen offen. Auf Messern und Scheren sucht sie nach dem Schriftzug. „Eine einfache Arbeit: Was aus China kommt, darf nicht Solingen heißen.“ Plötzlich hält der Zollzug an einem der Stände aus Hongkong. Beinahe ungläubig blickt die Rechtsreferentin auf einen geöffneten Koffer mit Besteck darin. „Das gibt´ s doch nicht.“ Werbewirksam steht auf der Innenseite des Deckels: Solingen – made in Chine. Der Aussteller schaut höflich-naiv in die Runde. Zollbeamte klären ihn auf. Lächelnd zuckt er die Schultern.

 

 

 

ECHO – INTERVIEW Mit Stephan Koziol

Das schreckt keinen ab

Produktpiraterie - Erbacher Firma hätte wohl doppelt so viele Beschäftigte, wenn es das Problem nicht gäbe – Hohe Kosten

Von Achim Preu

 

ECHO: Der Welthandel boomt – und noch mehr offenbar die Produktpiraterie. Woran liegt das?

Stephan Koziol: Das liegt daran, dass wir zum Beispiel in Deutschland bei der Anwendung der Gesetze noch weit weg sind von dem, was man machen könnte. Wenn wir in Frankreich einen erwischen, dann bezahlt der die Differenz zwischen dem Originalpreis und der billigen Chinakopie. In Deutschland werden drei Prozent Lizenzanalogie fällig. Das wäre so, als wenn man beim Schwarzfahren erwischt würde und nicht etwa 40 Euro zahlt, sondern nur die Karte nachlöst. Das schreckt keinen ab und führt dazu, dass sich ganze Branchen oder Konzerne wie Tchibo darauf aufgebaut haben, vorhandenes Wissen auszubeuten von mittelständischen Unternehmen.

ECHO: Ist das nicht zu kurz gesprungen? Der beste Schutz vor solchen Piraten ist doch wohl, noch schneller und noch innovativer zu werden, oder?

Koziol: das ist richtig. Ein Plagiat ist die ehrlichste Form der Anerkennung. Wenn wir nicht mehr kopiert werden würden, dann würden wir wahrscheinlich etwas falsch machen. Aber wir leben auch davon, dass man eine Wissensarbeit, die man geleistet hat, um zu einem Produkt zu kommen, nachher auch wieder zurückbezahlt bekommt. Wenn man eine Arznei hat, hat man auch acht oder zehn Jahre Zeit, um das Patent zu nutzen. Es ist auch für uns wichtig, Schutz zu genießen.

ECHO: Stichwort Arznei, Stichwort Bremsscheiben beim Auto: Muss man nicht differenzieren etwa gegenüber einem nachgemachten Eierbecher aus Kunststoff?

 

Koziol: Wir haben hier mehrere hundert Mitarbeiter, die mit ihren Familien von dieser Leistung leben müssen.
Die investieren Wissen und Arbeit. Da sehe ich überhaupt keinen unterschied zu einer Arznei.

ECHO: Was können sie konkret gegen diese Auswüchse tun, wenn sie sagen, das mit den Gesetzen und Behörden funktioniert nicht so?

Koziol: Es funktioniert schon, aber es ist eine Auslegungssache. Es ist schwierig und immer teurer, darum zu kämpfen, dass die Rechte auch durchgesetzt werden.

Wir müssen Markenentwicklung und Auftritt im Markt für den Kunden noch stärker so gestalten, dass er weiß, mit dem Original kauft er einen Mehrwert.

ECHO: Welche Auswirkungen haben die Plagiate für Koziol?

Koziol: Wir hätten doppelt so viele Mitarbeiter (derzeit 170, die Red.), wenn wir das Plagiat – Problem nicht hätten.
Es raubt uns immer wieder die Möglichkeit, mit einer guten Idee das nötige Geld zu verdienen, um damit die nächste gute Idee zu bezahlen.

ECHO: Umgekehrt gefragt: Was wenden Sie pro Jahr auf, um Gegenmaßnahmen zu ergreifen?

Koziol: Zum einen investieren wir in Entwicklung, und das sind sicher 15 bis 20 Prozent des Umsatzes - auch für den Auftritt im Markt.
Zum anderen haben wir allein an Musterschutzkosten international fast 200 000 Euro im Jahr.

 

ECHO: Seit 30 Jahren gibt es nun schon den Plagiarius als Preis für Gedankenarmut, der an besonders dreiste Fälscher vergeben wird. Hat dies bislang irgendetwas genutzt?

Koziol: Das hat viel genutzt in der öffentlichen Wahrnehmung, ist ein wichtiger Beitrag, dass es für Händler und Endverbraucher klarer wird, es gibt ein Original und eine Fälschung.

ECHO: Wird der Piratenjäger Koziol bei alldem langsam müde?

Koziol: Wir werden nicht müde, wir werden raffinierter, erfahrener. Und wir haben uns zusammengeschlossen mit anderen Unternehmen. Wir besuchen mit denen und dem Zoll die Messestände, um vor dem Messestart schwarze Schafe zu eliminieren. Man muss sich einfach einen Namen erarbeiten, mit dem man Angst und Schrecken verbreitet. Beispiel: Wir haben eine Kopie im Internet entdeckt und versucht diese bei dem Unternehmen zu bestellen. Die Antwort war nein, weil es in Europa eine Firma Koziol gibt, da können wir leider nicht hinliefern, hieß es. Das ist prima.

ECHO: Sind sie also von der Markenstärke schon da, wo sie hin müssen?

Koziol: Die Bekanntheit bei der Fan – Community, die ist da. Die wollen auch nur das Original. Aber unsere Produkte – intelligent gemacht – reizen nun mal dazu, kopiert zu werden. Nicht einmal Adidas, IBM oder Mercedes können sich so umfassend schützen, dass da nichts passiert. Und das können wir auch nicht.

 

 

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