Wenn die Schneeflocken in der Plastikkuppel langsam zu Boden rieseln, scheint die ganze Welt für einen Moment stillzustehen. „Wir liefern Balsam für die Seele, wir wollen das Gemüt ansprechen“, versucht Stephan Koziol, einer der Geschäftsführer der Traumkugelfabrik in Erbach, den Erfolg seines Produktes zu erklären.
Die Geschichte vom Ursprung der Schneekugeln ist fast zu schön, um wahr zu sein: In einer kalten Winternacht 1951 soll der Firmengründer mit seinem VW Käfer im tief verschneiten Odenwald festgesteckt haben. Beim Blick durch das Rückfenster sah er die Schneeflöckchen tanzen, und ein Reh sprang über die Straße - eine Szenerie, die dem Geschäftsmann zu Herzen ging und ihn auf eine blendende Idee brachte. Know-how in Sachen Kunststoff hatte der findige Mann und gelernte Elfenbeinschnitzer bereits gesammelt: Seine Firma war führend in der Herstellung von Geschenkartikeln aus Kunststoff, wie sie in jedem Kiosk an Ausflugszielen zu finden sind: Wetterhäuschen, aus denen bei schönem Wetter ein Mädchen im Dirndl heraustritt, goldene Hirsche, Plastik-Edelweißsträußchen -Schnickschnack, der unter dem Begriff „volkstümliches Souvenir“ firmiert. |
Der Chef stellte die in seiner Firma produzierten Kunststoff-Broschen in eine durchsichtige Plastikkugel, füllte sie mit Wasser und gab ein paar schneeweiße Kunststoffflocken hinzu, fertig war die beschauliche Welt im Kleinformat.
Die zunächst abstrus anmutende Geschäftsidee wurde ein Dauerbrenner. Erste Motive waren etwa Maria und das Jesuskind, eine Balletttänzerin, Rotkäppchen und der böse Wolf, auch Hermann der Cherusker reckt auf seinem Denkmal stolz sein Schwert empor. Auf dem Schreibtisch von Stephan Koziol sind einige der alten Prachtstücke zu bewundern, für die sich mancher Sammler interessieren würde.
Trotz aller Erfolge in anderen Produktionssparten, etwa bei pfiffigem Kunststoffgeschirr und -besteck, bleibt die Traumkugel immer noch Flaggschiff und wichtigster Imageträger der Firma, denn Schneekugeln kennt jeder. Ein offenes Erfolgsgeheimis ist der ständige Wechsel im Angebot.
Junge Designer und Designerinnen haben die Chance, ihre eigene kleine Welt unter der Plexiglaskuppel zu gestalten. „Wichtig ist, dass wir sehen, was sich in der Gesellschaft bewegt.“
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Der berühmt-flüchtige Zeitgeist muss schnell erkannt und in die Kugeln gepackt werden. Mal sind Heerscharen von kuschelig-kindlichen Teddybären im Trend - auch geflügelt trotzen sie dem Schneesturm -, dann ist eine Kollektion von Sonne, Mond und Sternen ein Verkaufserfolg.
Zu fast jeder Gelegenheit kann der Schnee aus heiterem Himmel geschüttelt werden: zum Schulanfang, zur Hochzeit, dem Sportler zum Sieg, und den Krankenhaus-Patienten tröstet ein von Kopf bis Fuß in Mullbinden eingewickelter Bär.
Auch farbenfrohe feiste Gestalten á la Niki de Saint Phalle und der Kleine Prinz von Antoine de Saint-Exupéry hatten schon ihren Auftritt, wobei der Prinz natürlich nicht im Schnee-, sondern im Sternenregen stand.
Hier spricht die Firma voller Stolz von „kleinen Kunstobjekten“. Neben den Designer-Ideen ist viel Handarbeit gefragt.
Von den insgesamt 160 Mitarbeitern sind je nach Bedarf 20 bis 30 mit der Produktion der Traumkugeln beschäftigt. |